Outgassing von flüchtigen Verbindungen: Ein Vergleich von Messmethoden

Outgassing – Ursachen und Konsequenzen

„Outgassing“ bezeichnet das Freisetzen flüchtiger, meist organischer Substanzen (VOC) aus Materialien, wie zum Beispiel häufig als Additive und Weichmacher eingesetzten Phtalate, Siloxane oder Amine. Outgassing betrifft insbesondere Kunst- und Klebstoffe, Dichtungsmaterialien oder Beschichtungen. Dabei können die ausgasenden Substanzen sowohl chemisch/physikalisch gebunden als auch nur im Material eingeschlossen sein. Die Freisetzung, meist durch thermische, chemische oder physikalische Belastung, kann in Form von Gas, Partikeln oder Dämpfen erfolgen. [1, 2, 3]

Es existieren verschiedene Outgassing-Mechanismen. Bei der Desorption werden Moleküle, die physikalisch an der Oberfläche gebunden sind, freigesetzt. Ein anderer Mechanismus ist die chemischen Zersetzung und Abspaltung kleiner Moleküle, beispielsweise von einer Polymerkette. Auch können flüchtige Materialien durch Diffusion aus dem Inneren der Matrix zur Oberfläche gelangen, bestimmt durch den Diffusionskoeffizienten. [4, 3]

Verschiedene Faktoren beeinflussen das Outgassing. Höhere Temperaturen beschleunigen Reaktionen und Diffusion, während eine Druckverminderung das Ausgasens durch einen höheren Druckgradienten fördert. Materialwahl und Oberflächenbeschaffenheit haben ebenfalls einen Einfluss. Poröse und große Oberflächen können flüchtige Moleküle besser adsorbieren. [5, 3]

Outgassing kann technische Systeme in ihrer Funktionalität beeinträchtigen. Freigesetzte Substanzen können sich auf Oberflächen niederschlagen oder Oberflächenschäden verursachen. Dies kann beispielsweise zu Störungen der Funktionalität von Kameras oder Sensoren führen. Der Verlust von Additiven kann Materialeigenschaften schwächen und vorzeitige Alterung begünstigen. Zudem kann Outgassing Luftverschmutzung in Innenräumen oder Druckerhöhungen in Reinräumen und Vakuumatmosphären verursachen, und so die Produktqualität und Produktivität negativ beeinflussen. Neben den technischen Risiken stellt das Outgassing auch eine Gesundheits- & Umweltgefährdung dar. [1, 3]

Outgassing ist in vielen Bereichen kritisch: In der Raumfahrt sorgt das Vakuum des Weltalls für ein beschleunigtes Ausgasen, was zur Schädigung hochsensibler Instrumente führt. In der Halbleiterfertigungstechnologie können sich VOCs auf Oberflächen niederschlagen. Da man sich in der Fertigung von Halbleitern in Größendimensionen einzelner Moleküle bewegt, führen die Ablagerungen zu Fehlprozessierungen und somit zu kleinsten Oberflächendefekten, sodass die Funktionalität und Reproduzierbarkeit gestört wird. In der Medizintechnik dürfen keine ausgasende Substanzen in den Körper gelangen. Auch in der Automobil- und Baubranche muss verhindert werden, dass ausgasende Stoffe Innenräume kontaminieren und gesundheitliche Risiken verursachen. [1, 2, 6]

Somit ist die Verwendung und Entwicklung ausgasarmer Materialien entscheidend für die Langlebigkeit und Funktionalität sensibler Instrumente sowie für die Sicherheit. Dafür sind präzise Messungen nach festgelegten Normen und Richtlinien erforderlich. [4] Es existieren verschiedene Standards- und Methoden, die ihren Ursprung jeweils in spezifischen Branchen haben, inzwischen aber häufig übergreifend Anwendung finden. Wir stellen im folgenden Vergleich die wichtigsten Methoden vor. 

Vergleich wichtiger Methoden zur Outgassing-Bewertung

Zu den gängigsten Methoden zählen die VDA 278, abgeleitet aus der Automobilindustrie, die ASTM E595, entwickelt aus den European Space Standardsunddie ASTM D972 für Schmierstoffe. Eine weitere gängige Methode ist die Restgasanalyse, die auf keinen Standards beruht.

VDA 278 [7]
Die VDA 278 ist eine vom Verband der Automobilindustrie entwickelte Norm zur Ermittlung des Anteils kondensierbarer und nicht-kondensierbaren flüchtigen Substanzen aus nichtmetallischen Materialien. Sie ist eine Standardprüfmethode zur Absicherung der Luftqualität in Fahrzeuginnenräumen.

Nach der VDA 278 wird eine Probe in einem Desorptionsröhrchen für einen definierten Zeitraum erhitzt. Durch einen Trägergasstrom werden die flüchtigen Substanzen in eine Kühlfalle getragen und gesammelt. Im Anschluss erfolgt ein Aufheizen der Kühlfalle, die Substanzen evaporieren und werden einer gaschromatischen Trennung, gekoppelt an ein Massenspektrometer (GC-MS) zugeführt. Für die Ermittlung des VOC-Werts wird das Röhrchen 30 min auf 90°C und für die Ermittlung des Anteils der kondensierbaren Substanzen (Fog-Wert, abgeleitet von Fogging) erneut für 60 min auf 120 °C erhitzt. Flüchtigen kondensierbaren und nicht-kondensierbaren Substanzen werden (soweit nachweisbar) als Einzelstoffe quantifiziert.

Im Anschluss erfolgt ein Aufheizen der Kühlfalle, die Substanzen evaporieren und werden einer gaschromatischen Trennung, gekoppelt an ein Massenspektrometer (GC-MS) zugeführt. Für die Ermittlung des VOC-Werts wird das Röhrchen 30 min auf 90°C und für die Ermittlung des Anteils der kondensierbaren Substanzen (Fog-Wert, abgeleitet von Fogging) erneut für 60 min auf 120 °C erhitzt. Flüchtigen kondensierbaren und nicht-kondensierbaren Substanzen werden (soweit nachweisbar) als Einzelstoffe quantifiziert.

ASTM E595 [8, 9]
Die ASTM E595 ist eine Norm des ASTM-Ausschusses für Space Simulation and Applications of Space Technology. Sie beschreibt die Messapparatur und die Prozedur zur Bestimmung des Masseverlusts sowie die Analyse von kondensierbaren und nicht-kondensierbaren flüchtigen Substanzen.  Ähnliche Vorgaben sind auch von der European Cooperation for Space Standardization (ECSS) unter ECSS-Q-ST-70-02C zu finden.

Das Messgerät besteht aus mehreren Messkammern, die jeweils eine beheizte Probenkammer und eine Kollektorkammer mit Kühl- und Kollektorplatte umfassen. Die Kollektorkammern sind durch Separationsplatten voneinander getrennt.

Gemäß ASTM E595 wird eine Probe 24 h auf 125 °C im Vakuum erhitzt, um flüchtige Substanzen freizusetzen. Diese werden in die Kollektorkammer überführt, wo die kondensierbaren Substanzen an der Kollektorplatte kondensieren. So kann der Anteil der condensable volatile collective material (CVCM) berechnet werden. Der gesamte Massenverlust (total mass loss, TML) wird ebenfalls bestimmt.

Anschließend kann die Wasserdampfaufnahme (water vapor regained, WVR) durch Lagerung der zuvor gemessenen Probe für 24 h bei 50 % Luftfeuchtigkeit bestimmt werden. Im Vergleich dazu wird nach ECSS-Q-ST-70-02C der Massenverlust ohne die absorbierte Menge Wasser (recovery mass loss, RML) ermittelt, indem die Probe einer höheren Luftfeuchtigkeit von 65 % ausgesetzt wird. Weiterhin werden in den European Space Standards maximale Werte für Materialien mit Weltraumanwendungen festgelegt.

RGA [10, 11]        
Schließlich gibt es noch die Möglichkeit das Outgassing eines Materials mittels einer Restgasanalyse (RGA) zu ermitteln. Hierfür ist keine Norm oder Richtlinie vorgesehen.

Bei dieser Messmethode wird das Outgassing eines Materials durch Ionisierung der freigesetzten Substanzen bestimmt. Eine heiße Filamentspule emittiert Elektronen, die Elektronen aus dem Material herausschlagen und positive Ionen bilden. Diese Ionen werden durch einen Massenfilter nach ihrem Ladung-zu-Masse-Verhältnis getrennt und zum Ionendetektor geleitet. Ein tiefes Vakuum gewährleistet den ungehinderten Gasstrom. Der Ionendetektor ermittelt die Ionen und ihre Fragmentierungsmuster, wodurch die neutralen Substanzen identifiziert werden können. Bei bekannter Substanzzusammensetzung können Kalibrierungskoeffizienten zur Bestimmung der relativen Zusammensetzung angewendet werden. Die Nachweisgrenze liegt bei 3 ng/cm³.

ASTM D972 [12]                    
Die ASTM D972 definiert den Massenverlust durch Verdampfen von Schmierölen und -fetten, und ermöglicht so die Evaluierung dieser für spezifische Anwendungen.

Für die Messung nach ASTM D972 wird eine Schmiermittelprobe für 22 h einer Temperatur von 100 – 150 °C ausgesetzt. Die aus der Probe ausgasenden Substanzen werden durch einen definierten Luftstrom abgeführt. Nach der Abkühlung der Probe erfolgt die Messung der Massendifferenz, um so den Gesamtanteil flüchtiger Komponenten zu bestimmen. Eine weitere Analyse der verdampften Substanzen ist im Rahmen dieser Messung nicht vorgesehen.

Vergleich der Outgassing-Nachweismethoden  [9, 7, 12, 8, 10, 11]

[1] C. Yu und D. Crump, „A Review of the Emission of VOCs from Polymeric Materials used in Buildings,“ Building and Environment, Bd. 33, Nr. 6, pp. 357-347, 1998.
[2] M. Keller und U. Gommel, „Material emission for controlled environments used in space, semiconductor and medical device industries.,“ Workshop: Geruch und Emissionen bei Kunststoffen, Bd. 16, 2015.
[3] L. Zhu, D. Shen und K. H. Luo, „A critical review on VOCs adsorption by different porous materials: Species, mechanisms and modification methods,“ Journal of Hazardous Materials, Bd. 389, Nr. 122102, 2020.
[4] R. Grinham und A. Chew, „A Review of Outgassing and Methods for its Reduction,“ Appl. Sci. Converg. Technol., Bd. 26, Nr. 5, pp. 95-109, 2017.
[5] Y. Luo, X. W. K. Wang und Y. Wang, „Comparative Study on the Outgassing Rate of Materials Using Different MEthods,“ MAPAN-Journal of Metrology Society of India, Bd. 31, Nr. 1, pp. 61-68, 2016.
[6] S. Yang, x. Yang und D. Licina, „Emissions of volatile organic compounds from interior materials of vehicles,“ Building and Environment, Bd. 170, Nr. 106599, 2020.
[7] V. d. A. e.V., VDA 278: Thermodesorptionsanalyse organischer Emissionen zur Charakterisierung nichtmetallischer KFZ-Werkstoffe, 2016.
[8] ASTM, E 595 – 93: Standard Test Method for Total Mass Loss and Collected Volatile Condensable Materials from Outgassing in a Vacuum Environment’, 1993.
[9] E. C. f. S. Standardization, ECSS-Q-ST-70-02C: Space product assurance – Thermal vacuum outgassing test for the screening of space materials, 2008.
[10] P. Hofmann, „Residual gas analysis (mass spectrometry),“ [Online]. Available: https://philiphofmann.net/ultrahighvacuum/ind_RGA.html. [Zugriff am 14 August 2024].
[11] V. GmbH, „Vakuumtechnische Messungen,“ [Online]. Available: https://www.vacom.net/de/dienstleistungen/service-portfolio/spezieller-vakuumservice.html. [Zugriff am 15 August 2024].
[12] ASTM, D972 − 22 Standard Test Method for Evaporation Loss of Lubricating Greases and Oils, 2022.


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